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Da stehe ich nun. Es regnet. stark sogar. Die Kleider sind durchnässt und die Umgebung völlig unbekannt. Ich kann mich noch nicht so genau erinnern, wie ich überhaupt hier her geraten bin. In der Ferne blitzt und donnert es. Ich war also etwas schneller als das Unwetter aber ich weiss auch, dass es mich irgendwann einholen wird, wenn ich in den kommenden Stunden keine geeignete Unterkunft finde. Die Autos, die an mir vorbei fahren, hinterlassen nasse Spuren an mir. Aber das fällt nicht mehr weiter auf – ich wüsste nicht, welche Körperstelle an mir noch trocken sein könnte. In welche Richtung ich auch blicke, der Weg zu einer nächstgelegenen Schutzmöglichkeit erscheint weit. Was erwartet mich, wenn ich rechts abbiege? Erwartet mich etwas besseres, wenn ich es links versuche? Die Antworten sind noch unklar. Aber eines sei gewiss: Das Verweilen an Ort und Stelle, in Gedanken versunken – irgendwie in Trance – ist des Rätsels keine Lösung.

Ich wage den ersten Schritt. Es fühlt sich schwer und anstrengend an. Nasse Kleider sind schwer. Ist man ermüdet, fühlt sich alles anstrengend an. Die nächsten Schritte folgen. Die Schritte ins Unbekannte. Die Schritte in eine Veränderung. Ob diese freiwillig gewählt wurde oder sich in mein Leben eingedrängt hat, kann ich nicht genau sagen. Vielleicht finde ich die Antwort an der nächsten Kreuzung.

Das Flackern der Strassenlaternen lässt mich aufschrecken. Ich frage mich, was es zu bedeuten hat, wenn es in einer solchen Umgebung wohl keine intakte Stromleitung gibt. Oder ist das Unwetter schuld daran? Trotzdem bin ich dankbar, wenn auch in Bruchstücken immer wieder etwas Licht zu Auge bekomme. Der Akku meines Handys ist tot. Somit fällt auch die Option der Taschenlampe weg.

Es ist kalt. Ich muss weiter gehen. Aus der Ferne dröhnt etwas. Hupgeräusche und Lichtblitze sind zu erkennen. Schnell kommt es näher. Ist das etwa Gelächter und Jodelei? Er fährt an mir vorbei. Ein grosser Jeep wohl mit jugendlichem, leichtsinnigem Inhalt. Stichelei. Nein danke, auf solch eine Mitfahrgelegenheit kann ich verzichten. Ich schreite weiter. Und da sind sie auch schon wieder. Gedanken. Gefühle. Was wäre wenn…? Wie hätte es….? Was mache ich bei…..? Was hat das zu bedeuten? Den Blick auf einen Punkt am Boden fixiert schreite ich schon fast automatisiert weiter. Jeder Weg hat mal mit dem ersten Schritt begonnen. Aber habe ich auch wirklich die richtigen Schuhe an, um diesen Weg zu bestreiten oder quälen mich am Ziel angekommen von Blasen übersäte Füsse?

Da höre ich doch etwas. Es ist kein Auto. Auch nicht der Donner. Es klingt nach Mensch. Es klingt nach einem Rufen. Braucht da jemand Hilfe?! Der kann mich ja unmöglich sehen. Es ist dunkel. Aber nur weil man etwas nicht sehen kann, heisst es nicht, dieses auch nicht wahrzunehmen. Ich versuche das Rufen zu lokalisieren. Meine letzte Konzentration nochmals hervorzurufen. Da, auf der anderen Strassenseite ist ein Schatten ersichtlich. Komm, gib nochmals ein Zeichen. Ich werde aufgefordert. Das Unbekannte fordert mich auf, in seine Nähe zu kommen. Die Unsicherheit überkommt mich. Aber was ist, wenn eine Chance dahinter steckt?

Ich habe mich vor ein paar Stunden dazu entschieden, dem Unbekannten auf der anderen Strassenseite gegenüber zu treten und seinem Weg zu folgen. Meine Gedanken umzingelten mein Vertrauen aber dieses kann sich den Weg nur frei kämpfen, wenn es an Kraft gewinnt. Vor ein paar Stunden stand ich noch im nassen Kalt. Im Unbekannten. Keine Kreuzung war ersichtlich und das Lichterflackern war mehr gespenstischer als hilfreich. Jetzt sitze ich zwar in einem nicht beheizten, kahl eingerichteten, kleinen Unterschlupf, werde aber mit interessanten Satzklauseln konfrontiert und sehe eine Kerze vor mir, deren Licht im warmen Farbton ein Hauch von Farbe in mein Gesicht strahlen lässt.

Die Nacht erscheint mir endlos lange. Von Schlafen kann nicht gross die Rede sein. Dafür verantwortlich ist das Unwetter. Ja, es hat den Weg auch hier her gefunden. Es hat mich eingeholt. Aber ich bin soweit in Sicherheit. Der Donner knallt vor sich hin. Die Blitze erhellen den Himmel jeweils für Sekundenschnelle. Ich versuche nicht zu erschrecken. Aber gerade dies scheint mich wohl immer noch mehr zu beeinflussen. Ich versuche das Ganze als ein Schauspiel der Natur zu betrachten. Ein Theaterstück mit Sitzplatz in der ersten Reihe. Es fällt mir schwer, weil mich die Erinnerung an Gewitter aus der Vergangenheit etwas anderes lehrten.

Ich mag mich nicht mehr daran Erinnern, wie und wann ich eingeschlafen bin. Aber es scheint doch irgendwie funktioniert zu haben. Ausgeschlafen fühlt sich anders an aber die Zeit schenkt uns immer auch Möglichkeiten. Also möchte ich nicht zu viel davon verlieren. Der Abschied naht. Mit Dankbarkeit sage ich lebe wohl meinem Unbekannten, der mir gestern gegenüberstand und mich wahrgenommen hat. Er sieht in meine Augen und sagt: «Ich weiss, du kannst es noch nicht erkennen. Wie auch? Die dicken Wolken bedecken ihn und werden erst verschwinden, wenn die Sonnenstrahlen den Weg hier her gefunden haben. Aber so wie auch die Sonne stets da ist, wirst du die Weite des Horizonts sehen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.»

weitedeshorizonts
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